Neuer Unterausschuss Steuern im Europaparlament: Grüner Einsatz für europäische Steuergerechtigkeit

Neuer Unterausschuss Steuern im Europaparlament: Grüner Einsatz für europäische Steuergerechtigkeit

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Liebe Freundinnen und Freunde,

Liebe Interessierte,

die Coronakrise reißt tiefe Löcher in die Kassen europäischer Staaten. Die wirtschaftliche Erholung und die grüne Transformation benötigen aber keine Sparprogramme, sondern mutige Zukunftsinvestitionen. Das wird in den nächsten Monaten und Jahren die Bekämpfung von Steuerflucht, Steuervermeidung und Geldwäsche fett zurück auf die politische Agenda bringen. Nie war die Zeit besser, um das europäische Steuerdumping endlich zu beenden. Und daher kommt der neue und permanente Steuer-Unterausschuss des Europaparlaments gerade zur rechten Zeit. Seit vielen Jahren haben wir Grüne für diesen Ausschuss gestritten und am kommenden Mittwoch um 9 Uhr ist es so weit: Der Ausschuss nimmt seine Arbeit auf und ich bin als Koordinator unserer Fraktion wieder dabei.

Die Grünen/EFA-Fraktion stellt drei Vollmitglieder und drei stellvertretende Mitglieder. Diese Woche wurde ich von den grünen Ausschussmitgliedern zum Obmann (Koordinator) der Grünen im Steuerausschuss ernannt. Meine dänische Kollegin Kira Peter-Hansen wird Vize-Präsidentin. Nach diverse Sonderausschüssen (TAXE im Jahr 2015, TAX2 im Jahr 2016, TAX3 im Jahr 2018) und einem Untersuchungsausschuss (PANA im Jahr 2017) ist der neue Steuer-Unterausschuss der erste, der sich laufend mit Steuerskandalen beschäftigen wird. Die Arbeit des Europaparlaments wird damit viel effizienter, denn die immer neue Organisation der Arbeit und Suche nach neuen Mitarbeiter*innen für das Ausschusssekretariat hat ein Ende.

Dreistellige Milliardenbeträge, die wir zur Bewältigung der Corona-Krise brauchen, versickern in Steuersümpfen. Wenn der öffentliche Sektor heute noch nie dagewesene Geldsummen ausgibt, muss er auch an die Einnahmen von morgen denken. Wir dürfen nicht die nächste Generation die volle Rechnung für den Aufschwung zahlen lassen und müssen fragwürdigen Steuerpraktiken und Finanzkriminalität einen Riegel vorschieben. Gerade die Gewinner der Coronakrise – wie einige digitale Großkonzerne – müssen endlich ihren fairen Anteil an Steuern zahlen.

Die jüngsten Enthüllungen des Internationalen Netzwerks investigativer Journalisten ICIJ gemeinsam mit US-Investigativ-Medienunternehmen BuzzFeed zur Geldwäscheverstrickung internationaler Großbanken müssen ein Weckruf sein. Die sogenannten FinCEN-Files basieren auf geleakten Geldwäscheverdachtsmeldungen der US-amerikanischen Anti-Geldwäsche-Behörde FinCEN. Sie erlauben einen erschreckenden Einblick in die kriminellen Aktivitäten internationaler Großbanken, darunter Deutsche Bank und Commerzbank. Auch die staatlichen Geldwäscheaufseher kommen in den Enthüllungen nicht gut davon: Die Dokumente zeigen, dass sie seit Jahren nicht im Stande sind, diesem Treiben ein Ende zu bereiten. Wir Grünen haben zu den FinCEN-Files eine Plenardebatte beantragt und werden das Thema im neuen Steuer-Ausschuss für eine Auswertung und eine Anhörung auf die Tagesordnung setzen. Interessant dürfte vor allem sein, wann genau welche der beteiligten Banken zuletzt fragwürdige Geschäfte gemacht hat. Hier sind die neuen Medienberichte oft unklar.

Einige Schwerpunkte für unsere Arbeit aus grüner Sicht:

Mindeststeuersätze für Unternehmen und Digitalsteuer

Die Europäische Union muss zum globalen Vorreiter im Kampf gegen Steuerungerechtigkeit werden. Da sich die Vereinigten Staaten aus den OECD-Unternehmenssteuerverhandlungen mindestens teilweise zurückgezogen haben, muss Europa nun selbst aktiv werden. Wir brauchen europäische Mindeststeuersätze auf Unternehmensgewinne. Zudem: Das deutsche Zögern bei der Digitalsteuer hat schon über 10 Mrd. Euro an Steuereinnahmen in Europa gekostet. Die Fragen nach der Unternehmensbesteuerung und der Digitalsteuer werden den neuen Unterausschuss mit Sicherheit beschäftigen.

Druck machen für Steuertransparenz der Großunternehmen

Wir wollen dafür sorgen, dass sich der Steuerausschuss auch mit Europas schärfsten Schwert gegen Steuervermeidung, der unternehmensbezogenen öffentlichen Steuertransparenz (country-by-country reporting) beschäftigt. Während das Europaparlament den Vorschlag längst abgesegnet hat, blockiert der Rat der Mitgliedsländer seit Jahren. Aktuell liegt es in der Hand der deutschen Ratspräsidentschaft, das Thema endlich auf die Agenda und zur Abstimmung zu bringen. Hier wollen wir Druck machen. Neben dem country-by-country reporting blockiert der Rat die vom Europaparlament jeweils gebilligte gemeinsame Unternehmenssteuerbemessungsgrundlage (CCCTB), die betrugsfeste Reform der Umsatzsteuer und die Finanztransaktionssteuer. Hauptblockierer ist seit Jahren die große Koalition in Berlin.

Brexit: Fokus auf neuen Steuerwettbewerb und die britischen Überseegebiete

Auch der schwelende Streit um den Brexit bleibt von der Steuerfrage nicht unberührt. Wir wollen ihn im neuen Unterausschuss auf die Tagesordnung bringen. Mit der EU verlässt Großbritannien auch die europäische Gruppe Verhaltenskodex, in der Fragen der Unternehmensbesteuerung besprochen werden. Bei den Regeln zur Kontrolle von Steuervermeidung hat die britische Regierung immer wieder signalisiert, dass sie sich an die EU-Standards nach dem Brexit nicht mehr halten will. Bereits vor dem Brexit haben die britischen Steueroasen europäisches Steuerrecht untergraben. Europa muss die zukünftigen Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich dafür nutzen, damit das Steuerdumping über britische Steueroasen ein Ende hat. Generell gilt, dass bilaterale Handelsverträge zu einem Instrument gegen Steuervermeidung, Steuerbetrug und Geldwäsche werden müssen.

Ausbeutung von Arbeitnehmer*innen im Binnenmarkt und Steuerverluste

Dumping-Beschäftigung, wie die in deutschen Schlachthöfen, kommt in vielen EU-Mitgliedstaaten vor und hat auch Auswirkungen auf die Steuereinnahmen. Subunternehmer aus Osteuropa haben die Arbeiter in deutschen Schlachthöfen unter Mindestlohn ausgebeutet, und damit auch den Fiskus um Einnahmen gebracht. Scheinselbständige am Bau, in der Logistikbranche, in der Landwirtschaft, sexuellen Dienstleistungen und Pflege arbeiten ohne effektive soziale Absicherung zu Niedriglöhnen. Das führt nicht nur zu unfairem Wettbewerb mit anständig bezahlenden Unternehmen, auch entgeht den Kommunen vor Ort, wo die eigentliche Arbeit verrichtet wird, ein Teil der Gewerbesteuer. Dieses Thema ist bisher in der Debatte um Steuergerechtigkeit völlig unterbelichtet.

Geldwäsche und Steuervermeidung mit Immobilien

Ein weiteres Thema mit Steuerbezug, das viele Menschen bewegt, sind explodierende Mieten und unbezahlbare Wohnimmobilien. Wohnungen und Häuser sind durch die niedrigen Zinsen als Geldanlageobjekte noch attraktiver geworden. Doch auch kriminelles Geld trägt zur Explosion der Mieten in attraktiven Lagen bei. Außerdem bietet das Steuerrecht und bilaterale Steuerabkommen Sonderregeln, um Steuern auf Einkünfte aus Immobilienverkäufen und Mieteinnahmen zu drücken. Im Immobiliensektor sind Steuerhinterzieher und Geldwäscher besonders aktiv, weil die Kontrollen nach wie vor zu weich und die Regeln fragmentiert sind. Wir brauchen hier eine Vereinheitlichung.

Krypto-Währungen und andere Assets

Über digitale Währungen hat sich ein eigenes globales Bezahlsystem entwickelt, für das es keine steuerlichen Meldepflichten gibt und das ein Einfallstor für kriminelles Geld darstellt. Einnahmen aus Bitcoin & Co. müssen ebenso steuerlich erfasst werden, wie andere Einkünfte auch.

Ökologische Steuern und Abgaben

Im Rahmen des Europäischen Green Deals soll der EU-Emissionshandel so verschärft werden, dass Kohlendioxidemissionen endlich einen relevanten Preis bekommen. Ebenso ist ein Vorschlag zur Vereinheitlichung der Energiebesteuerung in Europa geplant, damit z.B. der sinnlose steuergetriebene Tankverkehr an den EU-Binnengrenzen aufhört. Bei allen Maßnahmen muss gelten: Sie müssen wirksam und sozial sein. Nur ein relevanter CO2-Preis ist wirksam. Er darf den Wettbewerb um treibhausgasintensive Industrien nicht verfälschen, muss also an den Außengrenzen ausgeglichen werden. Und: Die Einnahmen müssen so an die Bevölkerung zurückgezahlt werden, dass die Ungleichheit nicht weiter zunimmt, sondern Menschen mit kleinen Einkommen besser dastehen als vorher.

Steuerwettbewerb um reiche Privatpersonen

Immer mehr EU-Länder weiten den Steuerwettbewerb von Unternehmen und Kapitaleinkünften auf reiche Privatpersonen aus. Auch der Verkauf von EU-Staatsbürgerschaften und Aufenthaltsrechten (golden passports und golden visa) wird zum Steuerdumping bzw. Geldwäsche genutzt. Die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten müssen sich dieses Themas annehmen, statt es weiter zu tabuisieren. Notfalls müssen die Nationalstaaten ein Minimum an Besteuerung auch für im Ausland lebende Staatsbürger*innen sicherstellen.

Fazit

Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Geldwäsche sind ein Stachel in unserer Gesellschaft und fördern Ungleichheit und soziale Spaltung. Deshalb wollen wir Grünen im neuen Steuerausschuss die europäische Steuergerechtigkeit voranbringen. In den letzten Jahren gab es hier eine ganze Reihe von Erfolgen. Die EU-Kommission hat sich von einer Antreiberin des Steuerwettbewerbs in Europa zu einer Mitkämpferin gewandelt. Der neue ständige Unterausschuss ist der Beginn einer neuen Etappe im Kampf um Steuergerechtigkeit in der Europäischen Union. Nach Jahren von Ad-hoc-Ausschüssen kann das Europäische Parlament endlich laufend Steuerhinterziehung und Steuervermeidung angehen.

Mit grünen europäischen Grüßen

Sven Giegold

P.S.: Einladung zum Grundsatz-Webinar: „Kurskorrektur oder Systemfrage? – Welche Wirtschaftsordnung braucht die grüne Transformation?“ am 7.10. um 20:30 Uhr. U.a. mit Maja Göpel (*), Michael Hüther, Ulrike Herrmann & Sebastian Dullien. Ein Webinar von Sven Giegold und Rasmus Andresen. (* angefragt). Gleich hier anmelden!

 

 

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Sven Giegold, MdEP
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